Ein Wiedersehen im Schloss mit ... Dirk Pahre

Nach seiner Ausbildung zum Speditionskaufmann kam Dirk Pahre 2003 an die Universität Mannheim, um Betriebswirtschaftslehre zu studieren. Nach seinem erfolgreich abgeschlossenen Studium zog es ihn unter anderem zu SAP und für mehrere Jahre in die Welt der Unternehmensberatung. Was ihn im Jahr 2013 dazu bewogen hat, sein Startup Elecrtic Artcube zu gründen und warum er die Münchner Startup-Szene schätzt, erzählte er Vivian Weitz von ABSOLVENTUM.



„Ein einziger Nagel reicht oft schon aus, um einen Raum komplett zu verändern“, sagt Dirk Pahre, während er ein Gemälde des Künstlers Fabian Treiber vor sich an die leere, weiße Bürowand hängt. Behutsam streicht er mit einer weiß behandschuhten Hand über die Kanten, um das Bild auszuloten. Hier inmitten dutzender Leinwände hat er, wie viele Gründer, eine persönliche Leidenschaft zum Beruf gemacht: die Kunst. „Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie einfach es ist, durch ein Kunstwerk einen Raum zu gestalten. Es müssen keine Designermöbel oder ein komplett neuer Anstrich sein, es geht viel einfacher“, sagt er und tritt einen Schritt zurück, um das strukturierte Öl-Gemälde auf sich wirken zu lassen, dessen Textur sich in glänzenden Grau-, Blau- und Rosatönen fast stechend vom Weiß der Wand abhebt.

Kunst beweglicher machen, das ist das Ziel, das Pahre mit seinem Startup Electric Artcube verfolgt. Die nach dem legendären Jimi Hendrix Album „Electric Ladyland“ benannte Online-Plattform bietet die Möglichkeit, Kunstwerke zu mieten. Werke sind bereits ab 25 Euro im Monat zu haben und können im Anschluss an die Mietzeit auch gekauft werden. Die Kunden können die Kunst flexibel so lange genießen, wie sie es wollen oder sich immer wieder für neue Werke entscheiden. „Wir schaffen mit Electric Artcube neue Möglichkeiten nicht nur für unsere Kunden, sondern vor allem auch für die Künstler. Während die Kunden sich über die Flexibilität der Miete und die vielfältigen Möglichkeiten, die eigenen vier Wände oder Büroräume zu gestalten, freuen, haben die Künstler das Privileg eines geregelten Einkommens“, erklärt Pahre. Ein Privileg, das angesichts des harten Kampfes um Ausstellungsplätze in Galerien für viele Künstler noch unerreicht ist. „Wir wollen die Kunst wieder zurück in die Mitte der Gesellschaft bringen. Dazu gehört auch, dass der Schaffensprozess der Künstler gebührend gewürdigt wird, sowohl ideell als auch monetär.

Electric Artcube verfügt über eine Datenbank mit Werken von über hundert deutschen und internationalen Künstlern, die sorgfältig von der Kuratorin Ramona Greiner ausgewählt werden. „Natürlich geht es immer auch um persönlichen Geschmack und Nachfrage, aber wir versuchen, ein möglichst großes Spektrum verschiedener Stilrichtungen und Strömungen anbieten zu können, um unseren Kunden auch immer wieder neue Anreize zu bieten“, sagt Pahre und blickt neben sich auf einen sorgfältig in Luftpolsterfolie verpackten Kunstdruck des Künstlers Heinz Burghard, der mit seinen Maßen von 2x1,5 Metern über ihn hinausragt.

Mit seinem Team arbeitet der 36-jährige Wahl-Münchner von seinen Büroräumen im Gründerzentrum WERK1 aus, einer der alten Fabrikhallen auf dem Gelände der Kultfabrik in der Nähe des Ostbahnhofs. „Wenn wir mal ehrlich sind, ist das Gelände rund ums WERK1 rein optisch nicht wirklich ein typisches Aushängeschild für das schicke München“, sagt er lachend und deutet zum Fenster, das den Blick auf die mit Graffiti besprühten Wände der gegenüberliegenden Werkhalle öffnet, deren rostige Stahlträger und ihr in die Jahre gekommenes Glasdach unter einem ansonsten sonnigen Himmel grau und glanzlos erscheinen. „Aber was hier an Kreativität schlummert, nein, brodelt, ist unglaublich!“ Über dreißig Startups haben wie Electric Artcube ihren Sitz im WERK1. Wo heute nur noch ein Kartoffel-Museum nostalgisch an die frühere Produktion von Fertigprodukten erinnert, können junge Unternehmer im „Gründerzentrum für Digitale Wirtschaft“ in modernen Büros bei hauseigenen Konferenzen und Workshops zum Thema New Digital Media ihre Ideen weiterentwickeln und ihr Unternehmen aufbauen.
„Auch wenn es fast schon abgedroschen klingt: Hier ist dieser Zeitgeist spürbar, der für mich das Gründen so spannend macht“, erzählt Pahre. „In einer Arbeitswelt, in der Produktivität und Effizienz das Wichtigste sind, kann man leicht die Motivation verlieren und sich von enormem Leistungsdruck überwältigt fühlen“, sagt er. „Diesen Leistungsdruck und das Streben nach Produktivität und Effizienz gibt es bei einem Startup auch, das ist klar. Aber die Situation ist eine andere. Immer selbst verantwortlich zu sein und oft auch gerade unter Druck entscheiden zu müssen, alles in der Hand zu haben und reaktionsfähig zu bleiben, das ist unglaublich spannend und immer wieder eine Herausforderung. Im WERK1 haben wir den Vorteil, diese Entwicklung Seite an Seite mit anderen Gründern zu erleben.“ Das Team von Electric Artcube steht im ständigen Austausch mit den anderen Startups im Haus. „Man hilft sich natürlich auch gegenseitig“, sagt Pahre, „manchmal durch einen fachlichen Tipp, aber manchmal auch nur durch eine Tasse Kaffee und ein offenes Ohr.“

Auch wenn Pahre seinen Lebensmittelpunkt heute in München gefunden hat, erinnert er sich gerne an seine Studienzeit in Mannheim zurück: „Das Studium in Mannheim war und ist für meine berufliche Entwicklung prägend. Was die Universität Mannheim ihren Studierenden bietet, ist aber nicht nur eine erstklassige Lehre. Mannheim ist in den letzten Jahren eine richtige 'Gründerstadt‘ geworden, die immer mehr Raum für kluge Köpfe und engagierte Menschen bietet, die sich selbst verwirklichen wollen. Da entwickelt sich auch eine ganz eigene Startup-Szene, die von diesen Synergien profitiert.“
Angebote wie die Startup-Förderung durch das Mannheim Center for Entrepreneurship and Innovation (MCEI) und die ABSOLVENTUM-Startup-Lounge auf der CareerFair 2014 seien solche Entwicklungen, die Mannheim deutlich von anderen Universitätsstädten abheben. Auch den persönlichen Kontakt zur Schlossuniversität in der Quadratestadt und seinen alten Kommilitonen hat Pahre nicht verloren: „Für mich“, sagt er, „ist die Mitgliedschaft bei ABSOLVENTUM eine der wichtigsten Möglichkeiten, mit meiner Alma Mater in Kontakt zu bleiben. Es freut mich zu sehen, wie unser Netzwerk stetig wächst und die positive Entwicklung der Universität unterstützt. Es ist toll, wenn ein Alumni-Verein nicht nur retrospektive Erinnerungspunkte, sondern echten Mehrwert für die Ehemaligen, die Universität und die heutigen Studierenden bieten kann.“
Pahre präsentiert einige frisch eingetroffene Kunstwerke und schlägt sie routiniert in Luftpolsterfolie ein. Bevor er ein beindruckendes Gemälde des Künstlers Johnny Koch mit der Aufschrift „i am not now what i was yesterday“ in das Archiv sortiert, lässt er den Blick noch einmal zurück zu dem Bild von Fabian Treiber schweifen, dass er am Anfang des Tages in seinem Büro aufgehangen hat. Leise sagt er dabei mit einem Schmunzeln: „Jeder schafft sich eben selbst sein Hamsterrad, meins ist nur besonders schön.“

Vivian Weitz