Ein Wiedersehen im Schloss mit ... Waltraud Gehrig
Waltraud Gehrig studierte von 1988 bis 1995 Ost-Slavistik, Medien- und Kommunikationswissenschaft und Germanistik auf Magister an der Universität Mannheim.
FORUM: Welche berufliche Position haben Sie momentan inne?
Gehrig: Ich bin seit über 15 Jahren als Beraterin für EU-Projekte und im internationalen Business in verschiedenen Sektoren als Managerin tätig. In dieser Zeit habe ich vorwiegend in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion gelebt. Ende letzten Jahres bin ich wieder nach Deutschland zurückgekehrt und baue jetzt gerade meine Consultingfirma MP International Solutions auf. Dabei bin ich auf Project Crisis Management und Cross-Cultural Project Management mit den Schwerpunkten Osteuropa, Balkan, Mittlerer und Naher Osten spezialisiert.
FORUM: Was waren die wichtigsten Meilensteine Ihrer beruflichen Karriere?
Gehrig: Rückblickend würde ich sagen, dass der Sprung in die Beratungstätigkeit kurz nach dem Examen und der Umzug in die ehemalige Sowjetunion eine richtungsweisende Entscheidung für meine Karriere war. Meine Zeit als Geschäftsführerin eines Mobilfunkunternehmens in Georgien und die Leitung der Repräsentanz eines deutschen Marktforschungsunternehmens in Moskau haben mich auch betriebswirtschaftlich geprägt. Internationales Projektmanagement ist besonders in den Ländern, in denen ich aktiv bin, sehr anspruchsvoll und erfordert ein hohes Maß an Einsatz und Disziplin aber auch an Kreativität und Flexibilität. Beide leitenden Managementtätigkeiten haben mich sowohl fachlich als auch menschlich gefordert - aber im gleichen Maße auch gefördert. Diese Erfahrungen sind mir in späteren Projekten immer zu Gute gekommen und helfen mir auch heute meine Selbstständigkeit auszubauen.
FORUM: Welche Bedeutung hatte Ihre Studienzeit an der Universität Mannheim für Sie aus heutiger Sicht?
Gehrig: Die Studienzeit war für mich wie eine Befreiung aus einem relativ starren schulischen Rahmen. Der Magisterstudiengang hat uns damals die Möglichkeit gegeben zu lernen, wie man sich in die verschiedensten Sachgebiete einarbeiten kann. Da ich zur Zeit der „Perestroika“ studiert habe, hatte ich einige Hindernisse zu überwinden, etwa wenn ich in die Sowjetunion reisen wollte. Aber wir konnten unser Studium auch relativ frei und kreativ gestalten. Unsere Professoren und Lektoren statteten uns zudem mit einem sehr soliden Handwerkszeug aus, mit dessen Hilfe ich später die unterschiedlichsten Situationen gut meistern konnte.
FORUM: Welches Ereignis Ihrer Studienzeit ist Ihnen in besonders guter Erinnerung geblieben?
Gehrig: Der Sprachunterricht am Slavischen Seminar war ausgezeichnet. Ich erhielt die beste Grundlagenausbildung durch die Lehrkräfte. Es herrschte allerdings auch ein gewisser Drill und man musste diszipliniert sein, um allen Anforderungen zu genügen und das Studium bis zum Ende durchzuziehen. Aber es hat sehr viel Spaß gemacht und ich würde die Zeit nie missen wollen. Im späteren Verlauf meiner beruflichen Karriere habe ich mich noch mit einigen anderen Sprachen auseinandergesetzt und besonders die Grundlagen der sprachwissenschaftlichen theoretischen Ausbildung halfen mir dabei außerordentlich. Globalisierung und Internationalisierung spielen heutzutage in der universitären Ausbildung eine wichtige Rolle.
FORUM: Wie wurden Sie auf Ihre internationale Karriere vorbereitet?
Gehrig: Zu meiner Studienzeit waren die Angebote, ins Ausland zu gehen, noch begrenzt, vor allem was Osteuropa anging. Es war zudem nicht die Regel, Praktika im Magisterstudiengang zu machen, schon gar nicht im Ausland. Ich war schon immer sehr praxisorientiert und habe mich früh um Praktika in Polen und Russland bemüht, die sehr wichtig für meinen beruflichen Werdegang waren. Auch die Recherche für meine Magisterarbeit „Die russische Werbesprache“ war damals nur vor Ort möglich. Alle Anstrengungen, die damit verbunden waren, haben sich am Ende ausgezahlt. Die Arbeit wurde damals als einzige geisteswissenschaftliche Examensarbeit inmitten von wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten von der Stiftung „ProMarketing“ ausgezeichnet. Vor allem meine ständigen Reisen in die ehemalige Sowjetunion haben mir viele Pluspunkte bei potentiellen Arbeitgebern eingebracht, da es durchaus schwierig und unüblich war, als Westdeutsche ins ehemals sozialistische Ausland zu reisen. Die Reisen waren fast immer von mir privat organisiert, was mir später half, auch ohne fremde Unterstützung in die entlegensten Winkel außergewöhnlicher Länder wie Pakistan, Turkmenistan oder Kirgistan zu gelangen.
FORUM: Was würden Sie heutigen Studierenden Ihrer Fachrichtung raten, um beruflichen Erfolg zu haben?
Gehrig: Findet Eure Nische und seid flexibel! Es ist für Studierende wichtig, den Mut zu entwickeln, gegen den Strom zu schwimmen und auch etwas Außergewöhnliches zu tun. Sich selbstständig in gänzlich andersartigen Kulturkreisen bewegen zu können, ist immer noch ein großes Plus. Die Bereitschaft, Strapazen auf sich zu nehmen und auch mal in unruhige Länder zu gehen, kann einer Karriere sehr dienlich sein und ist oft das Zünglein an der Waage für einen Arbeitgeber. Das kann langfristig den beruflichen Erfolg absichern. Ich persönlich glaube nicht mehr an die geradlinige, klassische Karriereentwicklung, besonders nicht bei Geisteswissenschaftlern. Lebensläufe mit unerwarteten Wendungen und außergewöhnlichen Ecken und Kanten werden auch in Zukunft mehr gefragt sein und den Studierenden helfen, auf ungewöhnliche und ungeplante Lebenssituationen besser zu reagieren. In Deutschland ist man leider noch zu sehr auf einen langjährigen festen Arbeitsplatz fixiert, was bei einem Verlust oft in eine Krisensituation führt. Ist man jedoch in der Lage, flexibel zu reagieren und kreativ an solch eine Situation heranzugehen, erweist sich das als Gewinn.
FORUM: Was würden Sie heutigen Studierenden Ihrer Fachrichtung raten, um beruflichen Erfolg zu haben?
Weiler: Unbedingt. Selbstverständlich ist ein abgeschlossenes Studium die Grundlage, aber der Aufbau eines eigenen Netzwerks und von Kontakten ist wichtig, um Zugänge und Informationen zu erhalten. Dabei sollten alle Netzwerkoptionen genutzt und vor allem gut gepflegt werden, sowohl die social networks, als auch die realen Netzwerke zu Unternehmen und zur Wissenschaft. Dies rate ich den Studierenden aller Fächer. Im Übrigen wüsste ich überhaupt nicht, was meine Fachrichtung genau wäre. Ich bin zwar Kommunikationswissenschaftler, aber interdisziplinär aufgestellt und sehr neugierig.
FORUM: Inwiefern fühlen Sie sich Ihrer Alma Mater verbunden?
Gehrig: Ich habe vieles an meiner Universität gelernt, was mir in meinem beruflichen Leben sehr hilfreich war – Positives, aber auch Negatives. Aber vor allem ist es meine Mannheimer Herkunft, die mich an meine Alma Mater bindet. Die Universität ist für mich ein Stück Heimat und diese Beziehung wird besonders wichtig, wenn man lange im Ausland lebt und arbeitet.
FORUM: Was schätzen Sie besonders an Ihrer Mitgliedschaft bei ABSOLVENTUM MANNHEIM?
Gehrig: Als ich nach mehr als einem Jahrzehnt aus dem Ausland wieder nach Mannheim zurückgekehrt bin, musste ich mich wieder neu definieren, gleichzeitig ein wenig neu erfinden. Da ich immer nur im Ausland tätig war, brauchte ich zudem ein paar Ideen, wie ich mich im hiesigen Geschäftsleben zurechtfinde. Durch den ABSOLVENTUM- Newsletter und die Mailings hatte ich im Ausland immer das Gefühl, mit Mannheim und meiner Alma Mater verbunden zu sein. Daher war ABSOLVENTUM für mich einer der ersten natürlichen Kontakte nach meiner Rückkehr. Ich habe mich sofort wohlgefühlt und sprach mit den Mitgliedern und dem Vorstand eine gemeinsame Sprache. Netzwerken ist zunehmend wichtig in unserer heutigen Gesellschaft und das über die nationalen Grenzen hinaus. Ich bringe gerne meine Erfahrung diesbezüglich ein und profitiere im Gegenzug vom ABSOLVENTUM-Netzwerk. Ich freue mich auf die gemeinsamen Aktivitäten, sei es als Mentorin im Mentoring-Programm oder als Ansprechpartnerin für den Bereich „Cross Cultural“ im Rahmen der neuen Veranstaltungsreihe „ABSOLVENTUM-Werkstatt“. Und ich wünsche mir, mit meinem Engagement den Mitgliedern Einblicke in gewöhnlich sehr verschlossene und undurchdringliche Kulturen geben zu können, um so neue Horizonte zu eröffnen.