Ein Wiedersehen im Schloss mit ... Klaus Burkhardt

Warschau, Kairo, London, Amman, Ramallah und zuletzt Riga. Dr. Klaus Burkhardt ist viel herumgekommen – ständige Ortswechsel gehörten zu seinem Job. Der Absolvent der Universität Mannheim war Botschafter der Bundesrepublik Deutschland. Nach 33 Jahren im Auswärtigen Amt ist er 2012 in seine Mannheimer Heimat zurückgekehrt. Juliane Koch von ABSOLVENTUM sprach mit ihm über sein Berufsleben zwischen Fern- und Heimweh.

Klaus Burkhardt steht am Fenster seines Arbeitszimmers mit Blick auf den Luisenpark und deutet mit dem Finger in Richtung seiner alten Schule. „Da drüben ist das Lessing-Gymnasium. Da habe ich 1967 das Abitur gemacht“, sagt er. Der gebürtige Mannheimer ist zurückgekehrt – zurück zu seinen Wurzeln, nach einer Jahrzehnte langen Reise um die Welt. Als deutscher Botschafter war er in Krisengebieten und in politisch schwierigen Regionen. Und jedes Land hat in seiner Wohnung einen Platz gefunden: Hund Colja zum Beispiel, den er und seine Frau aus Riga, seiner letzten Station, mitgebracht haben, sowie zahlreiche Kunstwerke verschiedener Stilrichtungen und Künstler, die die Wände schmücken. „Überall wo wir waren, haben wir Künstler in ihren Ateliers besucht, jedes Bild trägt seine eigene Geschichte. Manches ist provokant, anderes sehr traurig“, sagt er.

Wie seine Gemälde hat auch Klaus Burkhardt seine ganz eigene Geschichte zu erzählen: Nach dem Abitur studierte er zunächst Politikwissenschaft, Geschichte und im Nebenfach Anglistik an der Universität Mannheim. Ein Berufsziel hatte er damals noch nicht: „Man konnte damals schlichtweg das studieren, worauf man Lust hatte. Ich habe mir keinerlei Gedanken gemacht, was ich damit später mal anfangen wollte.“ Dem Examen folgte eine Dissertation am renommierten Lehrstuhl für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte bei Prof. Dr. Hermann Weber in Mannheim. Burkhardt gefiel sein Leben zwischen Lehrveranstaltungen und Vorträgen zum französischen Kommunismus. „Aber ich war schon immer rastlos und wollte dann irgendwann ausloten, welche beruflichen Chancen sich mir außerhalb der Schlossmauern bieten könnten“, erzählt der 69-Jährige. So bewarb er sich auf eine Zeitungsanzeige des Auswärtigen Amtes – ohne sich große Hoffnungen zu machen. Nach einem Auswahlmarathon mit achtstündigem Eignungstest und einem einwöchigen Auswahlverfahren bekam er an Weihnachten 1978 dann die Nachricht: Wenn er tropentauglich wäre, könne er im Frühjahr anfangen.

In die Tropen ging es zunächst nicht: Nach zwei Jahren Ausbildung, u.a. in Völkerrecht, Politik und Sprachen, sowie drei Jahren im Auswärtigen Amt in Bonn, trat er seine erste Stelle in Warschau an. „In der Regel wechselt man alle drei bis vier Jahre das Land, einerseits um einer zu stark gewachsenen Identifikation mit dem Gastland und einer damit einhergehenden Art von Blindheit entgegenzuwirken. Andererseits, weil man es besonders in Krisengebieten psychisch nicht länger aushalten kann“, erklärt der ehemalige Diplomat. Nach Stationen unter anderem in Kairo und London, bekam Burkhardt 2005 mit Mitte 50 den ersten Botschafterposten – erst in der jordanischen Hauptstadt Amman und dann in Ramallah im Westjordanland. Er, seine Frau und seine Mitarbeiter wohnten zu dieser Zeit in Ost-Jerusalem. Das bedeutete, dass sie jeden Tag im Konvoi mit gepanzerten Militärjeeps die Checkpoints nach Ramallah überwinden mussten. „Besonders im Sommer bei sengender Hitze war es darin sehr stickig, aber einmal gab es eine Situation, in der ich sehr froh darüber war, dass die Jeeps so gut gepanzert waren“, sagt er. Der Botschafter und seine Mitarbeiter standen im Stau vor einem der Hauptübergänge Israels ins Westjordanland, als von palästinensischer Seite ein LKW auf den Checkpoint zuraste. Die Grenzsoldaten eröffneten das Feuer und sie waren mittendrin. „Das alles blendet man gefühlsmäßig irgendwann aus, sonst wird man verrückt und dreht durch“, sagt Burkhardt.

Solche Situationen oder persönliche Morddrohungen seien dennoch kein Grund um über einen Rücktritt nachzudenken: „Wenn es wirklich ernst wird, schickt man zwar seine Familie nach Hause, aber man selbst bleibt natürlich.“ Auch etliche „Befreiungsmissionen“ habe der Diplomat in seiner Zeit im arabischen Raum begleitet: „Deutsche Frauen, die für ihre Männer auswanderten, aber hier von ihnen unterdrückt wurden, der Schwiegermutter gehorchen und ihre Pässe abgeben mussten, sobald sie verheiratet waren, baten uns um Hilfe“, erzählt er. Die Stationen im Nahen Osten seien mit Abstand die beruflich herausforderndsten und intensivsten gewesen.

Doch nicht immer sei das Diplomatenleben so hart: „Ich erinnere mich auch an viele schöne Dinge, an die exotischen und würzigen Gerüche der Straßen und Basare in Damaskus, Kairo, Jerusalem oder Amman zum Beispiel und an viele, sehr verschiedene Menschen, die ich auf jeder meiner Stationen kennenlernen durfte.“ Die Kernaufgabe von Botschaftern besteht jedoch vor allem darin, ihr Herkunftsland vor Ort zu repräsentieren, sowie über die politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklungen im Gastland zu berichten. Sie fungieren so als Sprachrohr in beide Richtungen und sind in ihrem Heimatland gefragte Experten, wenn es zum Beispiel um Abkommen und Verträge mit dem jeweiligen Gastland geht. „Dazu sind viele Kontakte notwendig, die man sich jedes Mal neu aufbauen muss“, erklärt Burkhardt.

Das Netzwerken beherrscht der Diplomat aber nicht nur beruflich, auch privat ist er sehr engagiert. ABSOLVENTUM-Mitglied wurde er, als er sich gerade im Ausland befand, führte seine ersten Mentoring-Partnerschaften mit Studierenden per Skype und traf sich mit ihnen bei jedem Besuch in Mannheim. „An der Universität habe ich mich als Student und Mitarbeiter immer sehr wohl gefühlt. Deshalb war mir der Kontakt so wichtig“, sagt er. Auch deshalb sei ihm und seiner Frau die Entscheidung leicht gefallen, nach der Pensionierung vor vier Jahren wieder nach Mannheim zu ziehen. Seit er zurück ist, hält er leidenschaftlich Seminare und Vorträge an der Universität und etlichen studentischen Initiativen und genießt die intensive Einbindung an seiner alten Wirkungsstätte. Trotz der Pensionierung schließt Klaus Burkhardt nicht aus, dass ihn noch einmal das Fernweh packt: „Wenn man sein ganzes Leben unterwegs war, juckt es einen nach vier Jahren schon ein bisschen, aber irgendwann, da bin ich ganz realistisch, ist einfach Schluss.“

Juliane Koch