Ein Wiedersehen im Schloss mit ... Christian Siewek

Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater oder Investbanker – das war Christian Sieweks Vorstellung von seinem künftigen Berufsleben als er 2010 sein BWL-Studium an der Universität Mannheim aufnahm. Doch dann kam alles anders: Seine ersten Jobs führten ihn in die Startup-Szene zu Zalando und Home24. Heute ist das ABSOLVENTUM-Mitglied erfolgreicher Gründer des Unternehmens Vimcar, das einen Stecker entwickelt hat, der im Auto als digitales Fahrtenbuch genutzt werden kann.

Fünf Millionen Euro hat Vimcar dieses Jahr in einer Finanzierungsrunde von Investoren erhalten, um sich als Unternehmen weiterzuentwickeln. Es ist die höchste Frühphasenfinanzierung, die ein Startup in der deutschen „Connected Car“-Branche je erhalten hat. Sektkorken haben in dem 40-köpfigen Unternehmen im Haus eines Berliner Hinterhofs nicht geknallt. „Wir haben ganz nach Vimcar-Art mit Bierchen und guter Musik angestoßen, das ist eher unser Stil“, sagt Christian Siewek und lacht. „Fahrtenbuch machen ist ja auch eher etwas Trockenes.“ Trocken, aber nützlich. Vimcar sind die ersten, die das elektronische Fahrtenbuch salonfähig gemacht haben. Früher schrieb man mühsam An- und Abfahrt auf Papier. Später gab es auch eine elektronische Variante, mit viel Aufwand und mehreren Geräten. Vimcars Fahrtenbuch hingegen funktioniert nach dem Plug-and-Play-Prinzip: Ein Stecker wird an die Blackbox im Fußraum des Autos angeschlossen, die sämtliche Fahrzeugdaten aufzeichnet, der Kunde installiert die App und kann dann losfahren. Das elektronische Fahrtenbuch zeichnet über GPS Start- und Zielort sowie die Dauer der Fahrt auf. „Die Technologie dahinter ist gar nicht so einfach. Selbst so banale Dinge wie Anfang und Ende der Fahrt, sind nicht klar definiert. Bis wir die richtigen Algorithmen hatten und alles zu 99 Prozent funktionierte, bedurfte es 25 Millionen Testkilometer“, erzählt er.

Nicht nur Kilometer, sondern auch viele Stunden haben Siewek und seine zwei Mitgründer mit dem Fahrtenbuch zugebracht – in den ersten zwei Jahren bis zu hundert pro Woche. „Da hat dann Mutti auch schon mal interveniert, das war eine heftige Zeit, aber es ging nicht anders“, erinnert sich Siewek. „Wir waren nur zu fünft und jede Stunde, die wir reingesteckt haben, brachte uns auch eine Stunde schneller voran.“ Mit der Zeit sei er jedoch gelassener geworden – nicht nur, was das Arbeitspensum anbelangt, sondern auch sein Unternehmen. „Bei einem Startup befindet man sich in einem ständigen Auf und Ab zwischen Euphorie und Drama. Irgendwann muss man diese Emotionen glätten, aber gleichzeitig aufpassen, dass man nicht den Biss verliert.“

Biss braucht der 30-Jährige, der selbst kein Auto fährt, auch im Umgang mit der Konkurrenz. In der Branche werde mit harten Bandagen gekämpft. Einige etablierte Unternehmen hätten ihnen schon den Untergang vorhergesagt, doch Vimcar ist immer noch da. „Wir werden schon sehr stark beäugt. Sicherlich auch, weil man ein bisschen Angst vor uns hat. Da weiß man dann, dass man auf dem richtigen Weg ist“, sagt der Gründer und grinst. Die Freude über den Erfolg ist ihm anzusehen. „Am Ende ist es sowieso der Kunde, der darüber entscheidet, ob er unser Produkt oder ein anderes kauft.“

Zu denen zählen momentan vor allem Selbstständige und Arbeitnehmer mit einem Firmenwagen. Aktuell versucht Vimcar auch Kunden mit Flotten von sich zu überzeugen – also Unternehmen, die gleich mehrere Firmenfahrzeuge auf die Straße schicken, wie zum Beispiel der Bäcker von nebenan. Wurden die Autos abends wieder alle zurückgebracht? Wann müssen die Reifen gewechselt werden? Wann überschreitet man die Leasing-Kilometer, was tausende von Euro Nachzahlung mit sich ziehen würde? „Diese wirtschaftlichen Aspekte sollen Kunden mit unserem System in Zukunft besser unter Kontrolle bringen. Dazu weiten wir unsere Technologie mit der neuen Finanzierung nun nach und nach aus.“

Von Anfang an hatte Vimcar einen Investor im Boot. Auch wenn man einen signifikanten Teil seines Unternehmens damit abgebe, bleibe das Risiko beim Gründen dadurch halbwegs überschaubar, meint Siewek: „Das einzige Risiko liegt dann sozusagen in den Opportunitätskosten: In einer Schweizer Großbank hätte ich sicher mehr verdient, aber solch einen Job könnte ich mir heute gar nicht mehr vorstellen.“ Das war jedoch mal anders. Als Christian Siewek 2010 seinen Bachelor in BWL an der Universität Mannheim begann, sah er seinen Weg schon vorgezeichnet: In die Wirtschaftsprüfung, Unternehmensberatung oder eine Bank sollte es gehen – obwohl er selbst noch nicht so richtig wusste, was er wollte. Nach dem Abschluss 2012 ging er dann erst Mal vier Wochen nach Berlin – für ein Praktikum bei Zalando. Für die Zalando Lounge, den Shopping Club des Online-Händlers, baute er den Facebook-Kanal auf. Das gefiel ihm so gut, dass aus einem Monat ein ganzes Jahr wurde. „Danach bin ich schweren Herzens gegangen, weil ich es wichtig fand, noch einen Master in BWL zu machen“, erzählt Siewek. „Im Nachhinein war das auch die richtige Entscheidung.“

Den Master machte er an der Universität St. Gallen und studierte ein Semester lang an der Fudan University in China. Trotzdem fühlt sich Christian Siewek vor allem der Universität Mannheim verbunden: „Der Großteil meines Freundeskreises besteht aus Ex-Mannheimern. Wir treffen uns immer noch zwei bis drei Mal pro Jahr und fahren auch zusammen in Urlaub, deswegen habe ich eine starke Verbindung zu dieser Uni, stärker als zu St. Gallen.“ Bei jedem Besuch in Mannheim sei deshalb auch ein Foto auf dem Ehrenhof Pflicht. „Bei mir kommt hier immer ein wohliges Gefühl auf. Ich glaube, Mannheim hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin“, sagt der junge Firmenchef. Er selbst erwische sich dabei, wie er bei Bewerbungen als Erstes nach der Uni schaut. „Ich würde gerne unvoreingenommener die Auswahl treffen, aber es ist halt schon so, dass die Mannheimer Absolventen einen vernünftigen Arbeitsethos und Kreativität mitbringen. Das sind einfach gute Kandidaten.“

Nach solchen sind Christian Siewek und seine Mitgründer gerade auf der Suche. Das Unternehmen soll wachsen, auch personell. Zu dem zweistöckigen Haus in einem Berliner Hinterhof mit Dachterrasse sollen deshalb weitere Büros hinzukommen. Weil der Platz nicht mehr reicht, musste die Tischtennisplatte bereits einer Dartscheibe weichen. Das gemeinsame Feierabendbierchen soll aber weiterhin Standard bleiben – ganz nach bescheidener Vimcar-Art.

Text: Nadine Diehl